Pressemitteilung vom 12.04.2022

Atommüllzentrum im Tourismusgebiet Weserbergland

Werden Deutschlands beliebteste Radwege künftig aufgrund drohender Atommülltransporte gemieden und Touristen fern bleiben?

 

Durch die Entscheidung der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), direkt im Tourismus- und Erholungsgebiet Weserbergland Deutschlands erstes Bereitstellungslager für ein Atommüllendlager zu errichten, dürfte die ohnehin schon strukturschwache Region über mehrere Jahrzehnte nachhaltig geschädigt werden. Dabei hatte sich das Weserbergland in den vergangenen Jahren gemausert und erfolgreich touristische Strukturen, insbesondere durch attraktive Ziele an den Radwegen entlang der Weser und weiterer Flüsse, aufgebaut. Leider teilen mehrere dieser, als beliebteste Radwege Deutschlands ausgezeichnete, Strecken künftig ein Schicksal: Streckenabschnitte, sogar ganze Tagestouren, verlaufen entlang der Atommüllroute, welche nach dem Willen der BGZ in Kürze an der Weser entstehen soll.

 

Kommt das Atommüll-Lager in Würgassen, werden über die nächsten 30 Jahre hinweg ganztägig radioaktive Stoffe in unmittelbarer Nähe, oftmals parallel zum Radwegnetz, auf Straße und Schiene an- und abtransportiert werden. Insbesondere die Städte Hann. Münden, Bad Karlshafen und Höxter, die Klöster entlang der Weser, das UNESCO Weltkulturerbe Corvey, sowie die vielen umliegenden kleinen Ortschaften mit ihren touristischen Attraktionen müssen mit negativen Auswirkungen rechnen.

 

Dabei würden sich die Beeinträchtigungen nicht erst zum Zeitpunkt der geplanten Inbetriebnahme des Atommüll-Lagers ab 2027 bemerkbar machen. Einen Vorgeschmack auf das Atommüll-Szenario, welches der Touristikregion bevorsteht, könnte sich bereits nächstes Jahr, also ab 2023 offenbaren: Sollten die Planungen der BGZ genehmigt werden, würde mit dem Bau des Atommüll-Lagers zügig begonnen. Dabei übertreffen dessen Ausmaße mit 325 m Länge, 125 m Breite und mehr als 16 m Höhe sämtliche vorhandenen Bauwerke in der Region um ein Vielfaches. Der Betonbedarf der gesamten Halle dürfte weit mehr als 100.000 Kubikmeter betragen. Da der Baugrund nicht die notwendige Tragfähigkeit aufweist, muss die Halle zudem über eine Vielzahl von tief reichenden Betonpfeilern gegründet werden, um die notwendige Stabilität zu ermöglichen. Auch hierfür müssen mehrere tausend Kubikmeter Beton angefahren werden. Wenn man bedenkt, dass ein normaler Betonmischer ca. 7 Kubikmeter Material transportiert, erahnt man, wie viele abertausende zusätzliche Transporte die Region bereits in der Bauphase erleiden wird. Dem nicht genug: Um die Sicherheit gegen Hochwasser herzustellen, muss ein Großteil des Geländes um mehr als einen Meter aufgeschüttet werden, was nochmals mehrere zehntausend Kubikmeter Baumaterial erfordern wird. Das bedeutet abermals eine Vielzahl von Schwerlasttransporten.

 

All das wird negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bewohner und die Attraktivität der Region für Touristen haben. Dabei lebt dieser vor allem von positiven Erlebnissen und Empfehlungen. Es steht zu befürchten, dass diese zukünftig nicht mehr so gut für das Weserbergland ausfallen werden, was negative Bewertungen u.a. in einschlägigen Internetportalen als Konsequenz mit sich bringen wird und weniger Besucher zur Folge haben könnte. Auch ein Downgrade von Deutschlands attraktivsten Radwegen, wie z.B. dem Weserradweg R99 in der Bewertung des ADFC, einem verkehrspolitischen Verein mit über 200.000 Mitgliedern, kann nicht ausgeschlossen werden. Denn ein wesentliches Qualitätsmerkmal eines Radwegs ist die Verkehrsbelastung - und die würde künftig deutlich erhöht.

 

Auch nach der Bauphase dürfte sich daran kaum etwas ändern. Kommt das Atommüll-Lager in Würgassen, werden in den nächsten 30 Jahren tausende von Tonnen strahlenden Gefahrguts mittels Diesellok und LKW durch die gesamte Region transportiert werden. In großen Teilen ist weder das Straßen- noch das Schienennetz für ein derartig anspruchsvolles logistisches Unterfangen ausgelegt. Oftmals werden die Transporte durch etliche Ortschaften und in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung und Einkaufsstraßen rollen. Die gegenwärtige Infrastruktur ermöglicht dabei keine sinnvollen Alternativrouten.  Auch an den Bahnhöfen dürfen sich Schüler, Pendler und Touristen künftig die einspurige Bahntrasse mit tausenden von Tonnen strahlenden Gefahrguts aus ganz Deutschland teilen. 

 

Die BGZ beteuert, man könnte keine Beeinträchtigung des Tourismus an den bestehenden Zwischenlagern feststellen. Dies ist wenig verwunderlich, finden sich dort oftmals lediglich ruhende Lasten, die öffentlich kaum wahrgenommen werden. Ständige  An- und Abtransporte, allesamt unübersehbar als Gefahrguttransporte radioaktiver Stoffe gekennzeichnet,  wie beim in Würgassen geplanten „Logistikzentrum“, finden dort nicht statt.  Ganz anders wird es im Weserbergland zugehen: Wer kann schon neben lärmenden Atommülltransporten die Landschaft genießen, oder möchte sein Eis direkt neben einem radioaktiv strahlenden Transportcontainer verzehren?

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