Wird das Dreiländereck das Atommüll – Lager auch noch selbst bezahlen?
Diese Frage muss man sich angesichts der augenblicklichen Wertentwicklung des Staatsfonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) stellen. Der Fond speist sich aus den ca. 24 Milliarden EUR, welche die Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland im Zuge der Neuordnung der kerntechnischen Entsorgung an den Bund überwiesen hatten. Mit diesem Geld will der deutsche Staat in den kommenden Jahrzehnten die Entsorgung der radioaktiven Abfälle finanzieren. Laut Information von Report Mainz schrumpfte das Gesamtvermögen des Fonds zum 31.12.2022 um mehr als 3 Milliarden EUR. Das Fondmanagement begründet das Rendite–Minus mit Marktschwankungen. Dementsprechend fiel die aktuelle Auszahlung an das Bundesumweltministerium deutlich geringer aus als im Vorjahr. Laut Hochrechnungen ging man bereits 2016 von ca. 170 Milliarden EUR Gesamtkosten für die Entsorgung des Atommülls aus, sodass perspektivisch vermutlich der Steuerzahler die Hauptlast zu tragen hat. Nicht grundlos steht dementsprechend in der Erläuterung des Entsorgungsübergangsgesetz, welches den Atomausstieg regelt, dass eine Option zur Errichtung eines zentralen Zwischenlagers für schach- und mittelradioaktive Abfälle als Eingangslager für das Endlager Konrad besteht. Diese Option wäre nur dann zu verwirklichen, wenn sie sich nach Abwägung von Kosten und Nutzen als wirtschaftlich erweisen würde. Der Bundesrechnungshof hatte bereits ein kritisches Statement im Hinblick auf eine angemessene Wirtschaftlichkeit abgegeben, und unter den derzeit angewandten Auswahlkriterien als nicht ausreichend betrachtet. Diese Beurteilung wird nun durch die aktuelle Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) untermauert. Sie befürwortet die Errichtung eines Bereitstellungslagers sowohl aus technischer als auch logistischer Sicht am Standort des Endlagers. Warum dieser Empfehlung nicht gefolgt wird, dürfte also eine politische Entscheidung sein. Das Bundesumweltministerium (BMUV) unter Ministerin Lemke (B90/Grüne) beruft sich darauf, dass sie die Entscheidung für Würgassen nicht selbst gefällt, sondern nur von der Vorgängerregierung (CDU/SPD) übernommen habe. Daher sollte unter eigener Verantwortung die Entscheidung durch die ESK überprüft werden. Diese Darstellung ist in der Form nicht nachvollziehbar, denn B90/Grüne war zumindest innerhalb der Meinungsbildung stark involviert, die zu dieser Entscheidung führte. Bereits im November 2016 gab der damalige niedersächsische Umweltminister Wenzel (B90/Grüne) noch vor der Gründung der BGZ im Bundesrat zu Protokoll, dass die Niedersächsische Landesregierung auf Grund einer Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) davon ausgehe, dass ein zentrales Bereitstellungslager für das Endlager Konrad nicht in der Region Salzgitter errichtet wird. Denkbar ist jedoch, dass die Bundesregierung im Rahmen der Lastenteilung eine solche Anlage an einem anderen Standort positioniert. Das BfS, mit Hauptsitz in Salzgitter, begrüßte in seiner Stellungnahme den Bau eines Bereitstellungslagers, da es aus mehreren Gründen eine Entlastung für die Region Salzgitter darstelle, sofern es nicht in der Nähe des Endlagers errichtet wird. Noch deutlicher äußerte sich der Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Herr Studt, bei einer Veranstaltung in Salzgitter. Ein Bereitstellungslager sei zwar keine Voraussetzung für die Einlagerung, würde den Prozess aber beschleunigen. „Es geht uns darum, die Einlagerungsphase und die damit verbundenen Belastungen für die Anwohner so kurz wie möglich zu halten“, so Herr Studt. Unter den Voraussetzungen dürfte klar sein, dass das BMUV die aktuelle Stellungnahme der ESK nur zur Bestätigung der getroffenen Entscheidung für Würgassen anforderte, welche final nur durch eine Relativierung der eigenen Sicherheitskriterien möglich war. Dass die ESK die Notwendigkeit eines Bereitstellungslagers mit der Feststellung „Die just-in-time-Anlieferung von Einzelgebinden von verschiedenen Standorten ist vor allem vor dem Hintergrund der vorrangigen Anlieferung per Bahn im Regelgüterverkehr eine nahezu unlösbare Aufgabe, weil die Transportzeiten nicht nur extrem lang sind, sondern auch noch stark variieren ……“ begründet, stellt zudem die Transportstudie Konrad und sogar den Planfeststellungsbeschluss infrage. Sollte dieses tatsächlich stimmen, hätte ein Bereitstellungslager Bestandteil der Planfeststellung für Konrad sein müssen und die Transportstudie Konrad wäre hinfällig. Sollte das BMUV an seiner Entscheidung festhalten, wovon auszugehen ist, bedeutet dies im Ergebnis für die Bevölkerung im Dreiländereck: Doppelt so viele risikoreiche Transportvorgänge auf defizitärer maroder Infrastruktur wie in Salzgitter mit hervorragender Infrastruktur. Eine „Just in Time“ Anlieferung eines Zuges pro Tag wie in Salzgitter wird der Region um Würgassen nicht zugestanden, sondern viele Bahn- und LKW Transporte mit Be- und Endladevorgängen über den Tag verteilt für mehrere Jahrzehnte unmittelbar am Wohngebiet. Von einem Sicherheitsgewinn für alle dürfte hier wohl nicht die Rede sein, sondern nur von Atommülltourismus mit deutlich höheren Kosten als an geeigneteren Standorten.